Pages sollte nicht Pages heißen

Dieser Artikel entstand aus dem Frust, den ich zwangsläufig jedesmal bekomme, wenn ich mit Apples Textverarbeitungsprogramm Pages arbeite.

Wie kommt es, dass ich mit Keynote von Anfang an intuitiv zurechtgekommen bin, während ich Pages auch nach längerem Benutzen widerspenstig finde, schwer zu verstehen und einfach hakelig zu bedienen? Die beiden Programme ähneln sich doch auf den ersten Blick sehr, viele Bedienungselemente sind in beiden vorhanden und sehen gleich aus – und man sollte doch annehmen, dass sich Apple bei beiden Programmen gleich viel Mühe gegeben hat, ihren »legendary ease of use« einzubauen.

Wo liegt der Unterschied?

Beide Programme bieten eine gute Auswahl schicker Vorlagen, in beiden bearbeitet man das Dokument hauptsächlich über sehr ähnlich aufgebaute Paletten. Beide zeigen auf der linken Seite die Tumbnails der Dokumentenseiten (»Folien« in Keynote). In Keynote lassen sich dort auch die Folienvorlagen ansehen, bearbeiten und zuweisen.

Mit der Seitenleiste organisiert man in Keynote die Inhalte seines Dokumentes. »Seiten« bzw. Folien sind die grundlegende Metapher dafür, wie in Keynote Inhalte organisiert werden. Klar, verständlich und intuitiv, denn grundsätzlich machte man früher mit Dias oder Transparentfolien (wenn man damit präsentierte) genau das gleiche.

Ist denn das in Pages nicht auch so, immerhin heisst das Programm doch »Seiten«?

Eben nicht, und da liegt zumindest mein Problem.

Es fängt schon damit an, das es in Pages keine Seitenvorlagen gibt, die den Folienvorlagen in Keynote entsprechen. Man kann nicht das Layout einer vorhandenen Seite ändern, indem man eine andere Vorlage auf sie zieht, wie z.B. in XPress. Ich habe in Pages überhaupt noch keinen Weg gefunden, wie man vorhandenen Seiten eine andere Seitenvorlage zuweist.

In der Symbolleiste von Keynote steht ein Icon »Vorlagen«, das eine Liste der Folienvorlagen zeigt. Damit wird der aktuellen Folie das Layout dieser Vorlage zugewiesen. An der entsprechenden Stelle in Pages heißt das Icon »Seiten« und man legt damit stattdessen neue Seiten mit den Inhalten der jeweiligen Seitenvorlage an.

Man kann nicht, wie in Keynote oder in XPress, einfach eine Einzelseite an eine andere Stelle ziehen und damit die Reihenfolge der Seiten verändern (man kann zwar etwas verschieben, aber das sind nicht Seiten, wie ich sie verstehe, dazu gleich mehr).

Der zentrale Ort, an dem man Vorlagen für Seiten sehen und pflegen kann, ist im Vergleich zu Keynote oder Xpress ziemlich versteckt: Das Menü »Format > Erweitert (hallo Microsoft!) > Seitenvorlagen verwalten« öffnet ein »Sheet« mit einer Textliste, in der man Seitenvorlagen löschen und umbenennen kann. Neu anlegen kann man Vorlagen hier nicht, und schon gar nicht kann man sehen, wie sie aussehen.

Im zentralen Dokumentenfenster kann man Vorlagen auch nicht anzeigen lassen, um z.B. deren grafische Elemente zu verändern. Es werden immer konkrete, im Dokument vorhandene Seiten gezeigt, mit deren Inhalten. Isoliert kann man Seitenvorlagen nicht bearbeiten.

Mit allen diesen Punkten komme ich in Schwierigkeiten, sobald ich versuche, über die Typografie hinaus ein Pages-Dokument zu layouten. Im Grunde genommen hat nämlich in Pages nicht eine »Seite« ein Layout (also z.B. Ränder, Spalten, grafische Konstanten), sondern ein »Textabschnitt«. Und das ist der zentrale Unterschied, der mir oft so viel Kopfzerbrechen bereitet hat. Auch wenn Pages so viele sorgfältig gestaltete (Seiten-)Vorlagen mitbringt, ist es kein Seiten-Layoutprogramm.

Es erweckt nur den Anschein.

Wo in Xpress eine Seite der Träger von Textrahmen ist, durch die ein vorhandener Text hindurchfließt, besteht ein Pages-Dokument aus Abschnitten, die über die Seiten fließen. Die Abschnitte sind durch Trennzeichen im Text markiert (die werden »Umbrüche« genannt). Und diese Abschnitte haben ein Layout. Ein Abschnitt kann sich über mehrere Seiten erstrecken. Eine Seitenvorlage beginnt und endet mit einem Abschnittwechsel, so dass man durchaus mehrere Seiten einfügen kann, wenn man glaubt, über das Icon-Menü »Seiten« füge man analog zu Keynote jeweils eine Seite hinzu.

Das ist der wesentliche Unterschied in der Metapher der Programme, und das große Problem besteht meiner Meinung darin, dass Pages durch seinen Namen, seine Oberfläche und seine Ähnlichkeit zu Keynote eine unpassende Metapher erzeugt. Nämlich die, dass man damit »Seiten« bearbeitet, während es in Wirklichkeit Textstrukturen sind.

Eine falsche Metapher? Warum ist das so schlimm?

Man vergisst wohl zu leicht, was für abstrakte Objekte Programme sind. Man vergisst es, weil sich Programme Vorbilder aus der wirklichen Welt nehmen und wir das Wissen über diese Vorbilder auf das Programm selbst übertragen. Das macht das Umgehen mit dem Computer sehr viel leichter. Das Mittel für diese Übertragung sind Metaphern.

Wenn wir im Computer einen Ordner sehen, dann wissen wir, dass das ein Behälter für andere Sachen ist, nämlich Dokumente. Man kann den Ordner öffnen, man kann Dokumente aus einem Ordner in einen anderen legen, und noch andere Sachen mehr. Ein Malprogramm hat »Pinsel« als Werkzeuge und wir wissen deswegen schon ungefähr, was diese Werkzeuge grundsätzlich tun (nämlich irgendeine Spur auf der »Malfläche« zu hinterlassen).

In Wirklichkeit gibt es im Rechner keine»Ordner«, »Pinsel« und »Malflächen«. Das sind Metaphern, die uns helfen, das Programm zu verstehen. Metaphern sind also hilfreich, aber sie haben auch Grenzen, nämlich dort, wo das wirkliche Ding nicht mit seinem Gegenstück im Programm übereinstimmt.

Zum Beispiel kann man sich Ebenen in Photoshop gut als transparente Folien vorstellen, die übereinander gelegt das ganze Bild ergeben. Manche Stellen der Folien sind bemalt, andere sind durchsichtig – und durch die transparenten Stellen sieht man das, was auf den Folien darunter bemalt ist. So funktionieren Ebenen. Aber nur zum Teil.

Welcher wirklichen Eigenschaft entsprechen zum Beispiel die »Füllmethoden« der Ebenen? Bei normalen Folien gibt es so etwas nicht. Hier hilft die Metapher nicht weiter, und wenn man sich zu sehr darauf versteift, dass Ebenen so etwas wie die Folien sind, dann wird man ihre Funktion und ihre Mächtigkeit nie ganz verstehen.

Pages bedient sich der Metapher der »Seite«. Eine Seite hat in der wirklichen Welt bestimmte Eigenschaften, und – ob man will oder nicht – man überträgt sein Wissen über diese Eigenschaften auf das entsprechende abstrakte Objekt, das Pages »Seite« nennt.

Noch etwas kommt hinzu: Auch in anderen Programmen gibt es »Seiten« mit bestimmten Eigenschaften. Und dieses Wissen über die Eigenschaften beeinflusst dann die eigenen Vorstellungen davon, was »Seiten« in Pages sind und was man damit tun kann.

Zumindest meine Vorstellung von Seite ist, dass ich einer Seite ein bestimmtes Layout geben kann. Und in dieses Layout fließt dann der Text, dessen innere Struktur eine ganz andere Sache ist.

Nur: So geht es in Pages nicht. Für das Layouten in Pages muss man verstehen, was »Abschnitte« und »Umbrüche« sind und was sie bewirken. Auch diese Begriffe sind wiederum Metaphern, und dummerweise deckt sich ihre Bedeutung in Pages nicht mit dem, was ich unter Abschnitt und Umbruch verstehe. Ich kann mein Wissen über Umbrüche also nicht nutzen, und das macht es mir so schwer.

Vielleicht haben es Nutzer leichter, die hauptsächlich Word kennen, denn in Word wird, genau wie in Pages, ein Abschnitt layoutet, nicht die Seite. Andererseits benutzt Word die Seitenmetapher nicht so explizit wie Pages. Das sieht man schon daran, dass man in Word in verschiedenen Ansichten arbeiten kann, und nur eine davon ist das »Seitenlayout«. Und in der Seitenleiste kann man nicht »Seiten« sehen, sondern eine »Miniaturansicht« des Dokumentes (voreingestellt ist dort auch »Dokumentstruktur«).

Ich will damit nicht sagen, dass ich mit Word besser layouten könnte als in Pages. Layouten in Word ist schlichtweg furchtbar. Aber immerhin weckt es nicht mit seinem Namen falsche Erwartungen.

Update 9.8.07: Pages™08 ist herausgekommen und sieh an, was sie geändert haben: Das Icon, unter dem man neue Abschnitte hinzufügt, heißt nicht mehr »Seiten«, sondern – »Abschnitte«. Na bitte.

Was ich auch gerade gesehen habe: Die Spaltenanzahl kann jetzt für Textblöcke festgelegt werden, so dass Text von einem einspaltigen in einen zweispaltigen Block fließen kann, ohne dass man dazu einen Layoutumbruch setzen muss. Es scheint also leichter zu werden, Pages als Layoutproramm zu nutzen. Andererseits lassen andere neue Funktionen Pages näher an Word heranrücken (z.B. die Änderungsverfolgung). Das wird ein interessanter Spagat.


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